Montag, 19.01.2026
um 19:00 Uhr




Institutionen sind geronnene Gewohnheiten, die wiederum verflüssigte Gedanken sind. Gemäß dem Sozialkonstruktivismus prägen soziale Institutionen im Gegenzug auch unser Bewusstsein. Unsere kollektiven Gewohnheiten sind deshalb sehr mächtig. Tagtäglich neu performativ von unseren Mitmenschen bestätigt, können wir uns nicht einmal mehr vorstellen, wie es wäre, wenn es nicht so wäre, wie es scheint. Anders gesagt: Wir denken in fixen Kategorien und können deshalb nicht über diese denken.

Besonders eindrücklich trifft dies im Falle der sozialen Gewohnheit der Gewalt zu, deren Folge die Traumatisierung ist. Tiefgreifende psychologische Traumata laufen auf eine hochkomplexe Transformation des gesamten Bewusstseins hinaus. Mit der Dissoziation erfolgt zwar in erster Linie eine Einschränkung des Bewusstseins auf seine äußerste Oberfläche, ein Abschneiden der tieferen Regungen. Später jedoch wird das traumatische Bewusstsein auch kompensatorisch produktiv und breitet sich durch kollektive Reinszenierung des Unsäglichen weiter aus.

Führende Psychotraumatolog:innen sind sich einig: In unserer Kultur ist nahezu jeder Mensch von tiefgreifender Traumatisierung betroffen. Basierend auf Erkenntnissen der Psychotraumatologie entwickelt dieser Vortrag eine Typologie des traumatischen Bewusstseins. Damit lassen sich die grundlegenden Funktionsweisen des Wahrnehmens und Denkens in der traumatischen Kultur darstellen, versprachlichen und reflektieren. Die Typologie ermöglicht uns mithin, uns vorzustellen, wie es wäre, wenn es nicht so wäre, wie es nun mal ist.

Der vormals fromme Traum von einer friedlichen Welt gewinnt so eine konkrete Gestalt in der Auseinandersetzung mit der Logik des traumatischen Bewusstseins. Denn sobald wir über das traumatische Bewusstsein denken können, müssen wir nicht länger in ihm denken. Das ist ein Schlüsselmoment auf dem Weg unserer vereinzelten und gemeinschaftlichen Befreiung.

Vita:
Matthias Neumann arbeitet im Rahmen eines europäischen Verbundprojekts an der Frankfurt University of Applied Sciences und promoviert an der Universiteit Twente in den Niederlanden. Seine Ausbildung in praktischer Philosophie und pluraler Ökonomie absolvierte er an den Universitäten Mannheim, Heidelberg und der ehemaligen Cusanus-Hochschule.
In seiner Heimatstadt Mainz und Umgebung tritt er regelmäßig mit inspirierenden Vorträgen zu ökonomischen und philosophischen Fragestellungen in Erscheinung. Jedoch sprach er weiterhin zuletzt auch bei einer Wiener Unternehmensberatung, in Amsterdam sowie an den Universitäten in Reykjavík und Enschede. Im Rahmen seiner vormaligen Tätigkeit an der Hochschule Mainz leitete er unter anderem Workshops für kleine und mittlere Unternehmen zu Themen des Innovationsmanagements.
Er ist der Host eines eigenen Wissenschaftspodcasts und setzt in entspannter Gartenatmosphäre Wissenschaftler:innen mit ihren jeweiligen Forschungsschwerpunkten in Szene. Daneben moderiert er wissenschaftliche Veranstaltungen wie etwa Hackathons. Insbesondere durch umfassende Erfahrung mit Science-Slam-Auftritten, beispielsweise in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz oder dem KUZ Mainz, versteht er es, Forschung verständlich und spannend zu vermitteln.
In seiner Freizeit engagiert sich Matthias Neumann mit der Veröffentlichung zweier Bücher nicht nur als Gedankengärtner, sondern kultiviert auch die physische Natur. Von A nach B kommt er am liebsten mit dem Fahrrad, und wo das nicht geht, mit Bus und Bahn. Sein größtes Steckenpferd jedoch ist die angewandte Mystik. Er meditierte bereits viele Jahre in den Traditionen des Vipassana nach S.N. Goenka, der Frankfurter Schule der Kontemplation, des Cognitive Based Compassion Trainings der Emory University sowie einigen weiteren Techniken. Im Freundeskreis veranstaltet er regelmäßig selbstgemachte spirituelle Retreats, die frei von fixen Hierarchien, Geldflüssen und Dogma sind.

Eventdaten bereitgestellt von: Reservix

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